Abfahrt Westbahnhof Fotos von Paul Richter
Paolo (Rider), DER Enthuiast Johann (Betreuer) und Michael
Schenk (Rider)
So im Halbschlaf kreisten die Gedanken
schon um die bevorstehende Weltmeisterschaft und ich überlegte, wie
es Johann wohl bei seinem ersten Betreuereinsatz gelingen könnte,
zwei Fahrer zu betreuen. Dann plötzlich: warm – kalt –
Schweißausbruch! Nein, zum Glück keine beginnende Grippe, aber auch
beunruhigend. Mir war gerade eingefallen, dass ich die Sattelstütze
samt Sattel in Wien im Auto in der Radtasche zurückgelassen hatte.
Nach einer gedanklichen Selbstgeißelung fasste ich wieder klare
Gedanken und ich hoffte vor Ort noch etwas organisieren zu können.
Nach der Ankunft im Hotel in Uster machten wir uns gleich auf zur Anmeldung. Als wir die lange Schlange bei der Anmeldung sahen, meinten wir ironisch, das hätten wir ja ohnehin heuer auch schon trainiert :) Es ging aber schneller als beim ersten Cuprennen auf der Donauinsel und wir hatten bald das Starterpaket, unsere Startnummern, mit Aufdruck des eigenen Namens (!) und den Chip in Händen.
Am Parkplatz traf ich dann gleich Max
und Roger Schell, zwei Schweizer Radquerfans, die ich von den
WM-Fahrten mit dem Velo-Moto-Club Hombrechtikon kenne. Die beiden
tingeln die ganze Quersaison in der Schweiz von Rennen zu Rennen und
reinigen unentgeltlich die Velos von Fahrern die Hilfe benötigen.
Roger meinte, er hätte sicher eine Sattelstütze samt Sattel zu
Hause.
Gleich darauf trafen wir auch die Wasner-Brüder Leopold und Andreas aus Oberösterreich. Wir machten uns auf zur Streckenbesichtigung und bei Andreas ging gleich nach wenigen hundert Metern das Schaltauge kaputt! Der Boden war tief und vor allem sehr pappig. Mehr als zwei Runden mit einem Velo waren da nicht drinnen. Nach einem Waschdurchgang pflügten wir noch zwei Runden durch die Zürcher Oberländer Weidewiesen. Eine „lockere“ Runde war kaum zu machen. Denn bis auf die 200 Meter lange Start-Zielgerade waren die Wiesenpassagen nur durch ein paar Feldwege unterbrochen, wo man sich aber auch nur wenig erholen konnte. Einer führte bergauf und man musste ein paar Meter durch Kies, welcher „wunderbar“ an den Reifen haften blieb. Ich entschied mich Sonntags jedenfalls mit den Small-Birds zu starten, um möglichst wenig Dreck mitzunehmen. Bei der Radwäsche traf ich auch noch die Schweizer Cross-Legende Richard Steiner, welchen mein Vater gut kannte. Er konnte sich gleich an den „Hannes“ erinnern. Steiner war bei der legendären Schlammschlacht von Saccolongo in Italien 5. im Profirennen geworden. Besonders faszinierend: Er sieht eigentlich aus wie vor 35 Jahren … .
Nach Umziehen und Duschen im Hotel fuhren wir wieder an die Strecke. Zwischenzeitlich war das Rennen der 65+ in Szene gegangen, in dem der Vorarlberger Max Kofler (RV Schwalbe Rankweil) den ausgezeichneten 8. Rang belegte. Richard Steiner holte die Silbermedaille, er kann es also auch noch mit 70 Jahren!
Paolo als Fotograf |
Dann erfolgte der Start der 55-60 und 60-65jähigen und wir waren echt beeindruckt, wie es die „Oldies“ krachen ließen. Die stürzten sich die Schrägfahrt runter und man merkte ihnen das Alter nicht an.
Danach fuhren wir nach Hombrechtikon zu Margret und Sepp, die uns zum Essen eingeladen hatten. Mit den Worten „ihr werdet wohl e klee Hunger haben“ bekamen wir gleich einen Vorspeisenteller mit Schweizer Spezialitäten, u.a. Bündnerfleisch serviert. Danach gab´s Käse-Fondue, bei dem wir uns mit Blick auf den bevorstehenden Renntag leider nicht so richtig ins Zeug legen konnten – wir ließen es uns aber trotzdem schmecken.
Im Hotel zurück gab uns Paolo noch
eine umfassende Einschulung in den Football-Sport und während Johann
und mir bald die Augen zufielen, sah er noch länger einen
NFL-Livestream an.
Sonntag - Unser Renntag:
Beim Aufstehen wie schon abends
leichter Nieselregen. Leider hatte es nicht mehr geregnet. Leider?
Ich hatte die Hoffnung „ordentlicher“ Regen würde den Schlamm
aufweichen, so dass er nicht so an den Rädern haften bleiben würde.
An der Strecke angekommen machte es vorerst aber den Eindruck, dass
die Bedingungen etwas besser als am Samstag wären, was sich später
aber als Trugschluss herausstellen sollte. Zum Glück fand ich bald
Roger und er hatte eine Sattelstütze samt Sattel mit. Der
Durchmesser war aber viel zu klein, was aber Roger nicht beunruhigte.
Er meinte nur: „Dann nehmen wir halt e klee Klebeband“ und begann
damit die Sattelstütze zu umwickeln –
"Wer bastelt mit?"
, meine Generation wird sich sicher an diese Fernsehserie erinnern,
also Live knapp eine Stunde vor dem Start. Es waren einige Anproben
notwendig, bis es endlich passte. Ich begab mich gleich mit dem Rad
zum Warmfahren am Asphalt und die Sattelstütze schien ausreichend
fixiert zu sein. Auf eine Runde auf der Strecke verzichteten Paolo
und ich.
Zehn vor elf begann der Startaufruf und
nach dem nationalen Meistern wurde nach Startnummern aufgerufen. Wir
hatten zum Glück rechtzeitig genannt, denn 49 Fahrer befanden sich
auf der Startliste. Und so hieß es bald. „drühundrtsiebza: Paul
Richter, drühundrtachtza: Michael Schenk“ und wir hatten eine gute
Startposition in der dritten Reihe links, die bessere Seite fürs
Einbiegen vom Asphalt in die erste Wiesenpassage.
Mit einem Pfiff des Rennleiters wurde
das Rennen gestartet. Ich kam ganz gut weg und bog ca. an 20.
Position ins Gelände ein. Mein Optimismus war aber bald verflogen,
als mich auf dem ersten tiefen Wiesenstück Fahrer um Fahrer,
teilweise auch bereits mit dem Rad auf der Schulter laufend,
überholten. Der Boden war noch tiefer als am Vortag, der Regen hatte
aber die Strecke nicht genügend aufgeweicht. Die Small Birds waren
wohl auch nicht die richtige Wahl. Ich hatte gar kein gutes Gefühl
für die bald folgende Schrägfahrt, da ich jetzt mitten im Getümmel
zwischen laufenden und fahrenden Konkurrenten war. Ich erwischte die
Passage aber gut und konnte in der Abfahrt einige Fahrer überholen.
Auch im Laufe der ersten Runde zog ich noch an ein paar Fahrern
vorbei. Ich beschloss aber doch vom Nox auf die Scott-Maschine mit
den stärken profilierten Rhinos zu wechseln. Roger Schell war Johann
behilflich und der Wechsel funktionierte problemlos. Die Strecke war
noch viel brutaler als am Vortag und selbst die Spitzenfahrer konnten
einige Passagen nur mehr laufend bewältigen.
„Highlight“ war ein
ca. 200 Meter langer, flacher Abschnitt, den ich nur einmal ein Stück
im Sattel bewältigen konnte. Danach war es aus, denn von den vorigen
Rennen sah es bereits aus wie auf einer Kuhweide, lauter mehr als
knöcheltiefe Trittspuren übersäten die Strecke, selbst die
Spitzenfahrer mussten laufen. Ich beschloss vorerst das Rad wegen der
Reifen nicht weiter zu wechseln und lieferte mir einen spannenden
Kampf mit einem Franzosen und einem Japaner. Gegen Ende der dritten
Runde war das Rad aber schon ziemlich verdreckt und ich beschloss
noch einmal zu wechseln. Leider konnte ich weder Johann noch Roger in
der Wechselzone erkennen und so fuhr ich weiter. Ich musste aber
immer öfter vom Rad und meine zwei direkten Konkurrenten zogen
davon. Auch drei weitere Fahrer überholten mich noch und ich
beendete das Rennen als 30., das Resultat, das ich mir zum Ziel
gesetzt hatte. Trotzdem irgendwie schade, Rang 25 wäre durchaus im
Bereich des Möglichen gewesen.
Den Sieg holte sich Titelverteidiger
Donald Myrah, bekannt aus dem MTB-Sport, vor den Ex-Cross-Profil
Ralph Berner (Deutschland) und Pascal Triebel (Luxemburg). Leopold
Wasner wurde 38., Paolo finishte als 42.
Andreas Wasner (ARBÖ Radsport Kiesl)
konnte in der Klasse 40-44 den 22. Rang belegen.
Berner, Myrah, Triebel |
Somit konnten alle fünf
österreichischen WM-Teilnehmer das Rennen beenden, was bei diesen
Bedingungen sicher kein leichtes Unterfangen war.
Auch in den anderen Kategorien waren
noch prominente Querfahrer vertreten, so die Schweizer Beat Morf
(Silbermedaille Kategorie 35-39), Roland Schätti, Bronze 40-44 und
Roger Honegger, der sich den Titel bei den 50-54jährigen holte.
Ein Lob gilt den Organisationsteam um Ex-Weltmeister Beat Wabel, welches eine würdige Weltmeisterschaft auf die Beine stellte.
Ein Lob gilt den Organisationsteam um Ex-Weltmeister Beat Wabel, welches eine würdige Weltmeisterschaft auf die Beine stellte.
Ich muss sagen, dass ich noch nie so ein extremes Cross gefahren bin. Es erinnerte mich an die legendären WM-Schlammschlachten von Saccolongo 1979, Lembeek (Belgien) 1986 und Hägendorf (Schweiz) 1988, welche ich als Zuschauer miterlebte. Während in Saccolongo mehr oder weniger nur kreuz und quer flach über abgeerntete Maisfelder „gefahren“ wurde, waren die Strecken in Lembeek und Hägendorf aber von den Höhenunterschieden noch viel extremer.
Youtube Video Cross-WM 1986 Lembeek
Youtube Video Cross-WM 1988 Hägendorf
In Hägendorf siegte bei den Profis
übrigens der spätere Straßen-Olympiasieger von Atlanta 1996 Pascal
Richard, den dritten Rang belegte Beat Breu (u.a. Tour de France
Etappensieger in Alpe d´ Huez 1982) , also zwei Fahrer, die große
Erfolge auch auf der Straße feiern konnten.
Vielleicht ist dies ein Ansporn für
jüngere Fahrer, sich auch einmal im Gelände zu versuchen... .
Fotos von David Kündig siehe Bildstrecke : Cyclo-Cross Masters WM 2014 in GossauGraue Schläfen - Scharfe Kurven ... ua. Bericht über Richard Steiner ... und Fotos
Michael Schenk, 6.1.2014